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Der folgende Text ist eine Leseprobe unseres Buchprojektes Liebesgeheimnisse.
Ring ums Herz


Manchmal stellt sich im Leben heraus, dass auch eine schlechte Angewohnheit ihre guten Seiten hat.
Ich habe meinen Lieblingsring erneut verloren. Ausgegangen, Hände gewaschen, Ring abgelegt, vergessen. Ich glaube nicht, dass er ein zweites Mal zu mir zurückkehrt. Dieses Mal war es anders als damals. Es war an der Zeit. Zehn Jahre braucht ein Herz, um zu heilen.
Als meine beste Freundin mir den kleinen gewölbten Umschlag überreichte, wusste ich nicht, dass du mir mit dem Ring auch dein Herz schickst. Deine Zeilen jedoch trafen mich sofort tief in meiner Seele. Eigentlich hatte ich nicht damit gerechnet, je wieder von dir zu hören. Einen Tag nach unserem Zusammenstoß im Kosmos, spürte ich immer noch eine klare Abweichung von meiner Laufbahn. Ich hatte damit begonnen, weiter zu leben und mir eine schöne Erinnerung zu konservieren. Eine Party, ein Kuss, kein Versprechen. Der Freund eines Freundes.
Plötzlich war ich dankbar über meine lästige Eigenschaft, Ringe irgendwo liegen zu lassen. Du hattest deine Chance erkannt, den Ring an dich genommen und ihn mir geschickt. Er war kostbarer denn je. An besagtem Sommerabend wurde schnell deutlich, welche Blicke sich über alle Köpfe hinweg immer wieder trafen. Deine Stimme schmiegte sich wohlig in meine Ohrmuschel, selbst wenn du anderen diese amüsanten Geschichten erzähltest. Ich stand mit dem Rücken zu dir und konnte dich fühlen. Ein unsichtbares Band.
Wir unternahmen herrliche Reisen durch Literaturgeschichten, Märchentäler, exotische Länder und alle Zeiten und Gezeiten, ohne einen Schritt zu setzen. Selbst für den Flug zum Mond stiegen wir nur drei Treppen hinauf auf das Dach. Gleich an unserem ersten Abend. Du entführtest mich über die Dächer der Stadt. Dort oben lag uns die ganze Welt zu Füßen. Vermutlich war das Dach danach undicht, an den Stellen, wo wir auf dem Belag umher tanzten, im Taumel und doch mit schlafwandlerischer Sicherheit. Als wir uns umarmten, schien der Mond zu explodieren. Danach musstest du ehrlich zu mir sein. Wie anständig von dir. Es existierte eine Frau.
Nun gab es ein Geheimnis. Eines, welches die Unwägbarkeiten des Lebens jemandem ins Herz einbrennen ohne dabei zu erwähnen, dass es weh tun wird. Ich beschloss für mich, niemandem zu verraten, dass wir uns liebten.
Ich überlegte, ob ich dich trotzdem wollte. Doch wie hätte ich widerstehen können, wo du mich zu deiner Königin machtest. Ich war dein Goldengel, dein Garten Rheinischer Lust, deine Schokofee, die Ringträgerin. Verehrt, gehuldigt...

- Meine Königin!
Die Arbeit in den Provinzen, die ich in dem Wissen, sie für Euch, Majestät, zu verrichten, mit dem Äußersten meines Vermögens zu bewältigen suche, zehrt an meiner Zeit, und schon in weniger als einer Stunde muss ich im Bürgerhaus erscheinen, um mich mit den ständischen Vertretern der Handwerkergilden zu schlagen, um einen neuen Pachtvertrag. Doch zuvor muss ich Euch, meine Schönheit, von einer Neuigkeit unterrichten, die Euch auf jedwede erdenkliche Art erfreuen wird:
Ich habe einen verschwiegenen Knappen eures Hofes dafür gewinnen können, die Zeugnisse meiner Verehrung in geheimen Botengängen zu transportieren. Und auch eure Gunst kann mir auf diesem sicheren Wege endlich zuteil werden. Damit kann ich nunmehr, meine Königin, den Weg zu Eurem Herzen finden, ohne dabei die Kompromittierung fürchten zu müssen. In dieser Stunde, da Ihr dies zärtlich geschriebene Papier in Händen haltet, ist dies geschehen und nichts hat es aufhalten können!
Mit ergriffenem Herzen ...-


Und meines erst!
Anfangs wehrte ich mich. Ich machte mich rar, zeigte keinerlei Interesse. Dein Eroberungswille wurde angestachelt. Zwei Frauen zu lieben, bedeutete für ein so großes Herz wie deines keinerlei Anstrengung. Ich verstand. Kein Ultimatum, keine Szene. Es machte sogar Spaß, war aufregend, spannend. Selbst Feiern, auf denen du mit ihr gewesen bist, haben wir genossen. Die heimlichen Berührungen, die zarten Gesten, der verstohlene Augenaufschlag. Das Tuscheln der Herzen. Wir sahen uns und freuten uns. Das war genug.
Bis ich dich zu sehr liebte. Jetzt hieß es handeln. Seine Würde behalten. Abschied nehmen. Gehen lassen, um zu schauen ob es zurück kommt, ob es vielleicht doch meines war. Natürlich konntest du dich berechtigt eine kleine Weile darauf ausruhen, dass deine Unberechenbarkeit und unkonventionelle Art einen Teil des Reizes ausgemacht haben. Heimlichkeiten, stets auf dem Sprung, Flüstern in der Nacht. Aber dann blieben gewisse zarte Bande angegriffen und überspannt zurück, ohne Halt, ohne Orientierung. Du wolltest nicht verstehen, dass selbst bei einem so locker geknüpften Gewebe die ein oder andere Masche stabil sein musste, um es nicht reißen oder auseinander fallen zu lassen.
Ich fühlte mich wie in einem Segelboot, weit draußen auf dem Meer. Wind, Wellen, Sonne, Salz, aber niemals ein Ufer in Sicht, keine Anlegestelle. Ein Sprung über Bord in die tiefblauen Wogen.
Angeblich brauchtest du nur etwas Zeit, dich zu sammeln. Du hast mir nie gesagt, ob sie es wusste. Sie ging weg und unser Geheimnis verlor sich. Wie ein Ring verloren geht. Du wusstest nicht, wie du um die eine Frau trauern solltest, und dich über die andere freuen. Bisher waren beide Grund zu Umschmeichelung, Romantik und Ritterspielen. Du dachtest, du hättest alles im Griff. Ein Ritter in schillernder Rüstung.
Da ging er hin, der selbstsichere Recke, mein romantischer Held. Der Glanz verschwand. Wie bei einem Silberring, der poliert werden musste.

Zeit für einen neuen Ring.

 
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